Uwe Timm: Vogelweide

 

Eigentlich ist es ja eine einfache Geschichte, die Uwe Timm hier erzählt: zuerst gibt es zwei Paare, dann eine Liebesgeschichte überkreuz und schließlich sind zwei zusammen und zwei allein. Aber was macht er daraus: durch ein immer wieder neu geschütteltes Kaleidoskop zeigt er dem Leser in den unterschiedlichsten Konstellationen die Frage nach Liebe und Begehren immer wieder neu. Dazu lässt er zum Beispiel heiter sarkastisch immer wieder die 'Pythia vom Bodensee' apfelbewehrt auftreten, die sich in den Kopf gesetzt hat, die Gesetzmäßigkeiten der Liebe und der Anziehung berechnen zu können und dazu den Protagonisten ausschickt, Interviews zum besagten Thema zu machen. Der quittiert nach einiger Zeit diesen Dienst, aber die Unterlagen behält er und sie werden für den Leser zu einer immer neuen Quelle, die Spielarten der Liebe zu betrachten. Auch dass der Protagonist einmal Theologie studiert hat, ist ein Fundus für immer wieder neue Überlegungen. Ein englischer Freund gibt seine Kommentare zu den Liebes- und Begehrenswirren des Protagonisten ebenso ab wie die betrogenen Partner der ursprünglichen Paarkonstellation.

Schließlich landet der Protagonist nach dem Verlust seiner Firma als Vogelbeobachter auf einer ansonsten unbewohnten Insel in der Nordsee und öffnet die 'Schatztruhe seiner Erinnerungen'. Und so hat der Titel eine mindestens doppelte Bedeutung: nicht nur an den begehrlichen Minnesänger wird hier erinnert, sondern die Vogelweide ist auch räumlich gegeben als Zufluchtsort und schließlich als Ort der Zufriedenheit jenseits des Begehrens und der Liebe.

Wie immer bei Uwe Timm habe ich den viel zu schnell kleiner werdenden Stapel der noch zu lesenden Seiten mit Unmut betrachtet, gerne wäre ich noch länger in seiner nachdenklichen, klugen und immer auch humorvollen Fiktionaltität, die fest mit dem Sein verhaftet ist, geblieben.