David Trueba: Die Kunst des Verlierens

Was für ein hinreißender Roman! Wie schade, dass schon nach 521 Seiten Schluss war. Da musste ich Abschied nehmen von Sylvia, der Sechzehnjährigen, deren Affäre mit dem südamerikanischen Fußballstar zu Ende gegangen ist, auch von ihrem Vater, dessen Mord an seinem früheren Teilhaber wohl nie aufgeklärt werden wird, und von ihrem Großvater, der sein Vermögen mit einer schwarzen Hure durchgebracht hat. Drei Generationen werden hier begleitet und jede wird mit gleicher Intensität, mit dem gleichen liebevollen Verständnis für die altersgemäßen Formen der Liebe, der Enttäuschungen und Ängste aus nächster Nähe angesehen. Dabei ist der Autor niemals voyeuristisch, sondern behält immer den Respekt vor seinen Figuren.

In der Badewanne stehend, die Hand im eisigen Wasserstrahl, wartete er eine Weile, in der Hoffnung, sein Körper würde sich die Temperatur gewöhnen. Dann gab er es auf. Einigermaßen verzweifelt setzte er sich auf den Wannenrand und betrachtete seinen nackten Körper. Das Alter war eine schwer zu ertragende Niederlage. Scheußlich. Die weiße, vor Kälte zitternde Haut. Die welke Brust, die Haare ausgefallen. Die fleckige Haut, die arthritischen Hände. Die knochigen Beine wie bei einem Kranken, die schlaffen Waden und Unterarme, als wäre die Seile schon gelöst worden, die die Haut straff hielten. Er erinnerte sich an diese Bilder, die er sein Leben lang verachtet hat, auf denen Dalí das Vergehen der Zeit als dickflüssige, schmelzende Materie malt. So sah er auch seine Haut wie alte Kleider zu Boden gleiten und das Skelett einer Leiche entblößen.

Mit der gleichen Intensität, wie er hier das Erleben des Alters beschreibt, kann er aber auch die Gedanken Sylvias während einer Unterrichtsstunde festhalten:

Keiner hat ihn. Keiner von ihnen hat den Mund, der meinen Mund berühren soll. Keine dieser Zungen soll meine Zunge streifen. Keiner dieser Zähne soll meine Unterlippe, mein Ohrläppchen, meinen Hals, meinen Bauchnabel anknabbern. Keiner hat ihn.
Keiner.

Sogar die Welt der Fußballprofis wird interessant, wenn Trueba sie als das Prinzip der Ausbeutung schildert.

20.09.2011