Kenzaburo Oe: Therapiestation

Just am 11. März nahm ich einen Science-Fiction-Roman zur Hand.

Von dem Literaturnobelpreisträger habe ich vor vielen Jahren etliche Bücher gelesen, die mir sehr vom deutschen Realismus des 19. Jahrhunderts beeinflusst erschienen, wenn auch mit sehr viel durchdringenderem Blick geschrieben, als es ein Fontane konnte. Nun also Sci-Fi.

Auf den ersten Seiten hatte ich das gespenstische Gefühl, Oe sei ein Hellseher, schildert er doch 1990 ein Japan, das nuklear verwüstet ist und von ökologischen Katastrophen heimgesucht ist. Es gibt noch Menschen, die ein karges Leben führen und sich in einer Wirtschaft des unmittelbaren Bedarfs eingerichtet haben. Es wird produziert, aber nur Notwendiges. Sinn der Produktion ist das Überleben, nicht der Profit. Und allmählich erfährt der Leser, dass die Menschen zurückgelassene sind. Vor zehn Jahren haben sich die Eliten aller Länder in Raumschiffen davongemacht, eine neue Erde irgendwo im Weltraum zu bevölkern.

Wenn nach zehn Jahren diese Eliten wiederkehren, ist eine Auseinandersetzung abzusehen. Aber bis zu diesem Zeitpunkt der Lektüre ist mir auch die Lust vergangen. Die Übersetzung ist äußerst schlampig, stellenweise liest sie sich wie eine erste Rohfassung. Das ist einfach ärgerlich. Aber auch die Weltenkonstruktion, die der Autor sich hier ausgedacht hat, erscheint mir ziemlich brüchig. So lässt er die Rückkehrer als körperlich Erneuerte auf die Erde kommen. Sie sind scheinbar nicht gealtert und von ihnen geht im Dunkeln ein Leuchten aus. Das ist das Resultat der titelgebenden Therapiestation, die sie auf dem unbewohnten Planeten vorgefunden haben.

Überhaupt war alles an diesen ‘Therapiestation’ genannten Bauten höchst merkwürdig. Bauten waren es, das war klar, und diese Tatsache an sich war schon merkwürdig. Die Experten waren zu dem Schluss gekommen, dass auf diesem Planeten, der nun ‘Neue Erde’ heißen sollte, nie höhere Lebewesen existiert hatten und nie existiert haben konnten. Und doch zweifelte niemand daran, dass diese Bauten aufgrund der Akkumulation von Wissenschaft und Technik erstellt worden waren, und zwar von Wesen, die dem Menschen ebenbürtige, wenn nicht überlegene intellektuelle und körperliche Fähigkeiten besaßen.

Dieses Rätsel wird nicht aufgelöst, aber die Wirkung der Therapiestation reicht bis auf die alte Erde. Die Ich-Erzählerin erlebt all dies sozusagen familiär. Sie wurde aufgenommen in der Familie des Mannes, der die Organisation des Wirtschaftens für die Überlebenden übernommen hat. Dieser ist gleichzeitig der Bruder des Führers der japanischen Elite im Weltall. Und außerdem gibt es eine Liebesgeschichte zwischen der Erzählerin und dem Sohn dieses Führers. Das könnte eine Welt in der Nussschale sein, wirkt aber vor allem unwahrscheinlich und überladen. Auch die Literatur spielt eine Rolle, kann der Geliebte doch nicht unmittelbar von seinen Erlebnissen auf den neuen Erde berichten, sondern kleidet seine Mitteilungen in Äußerungen über die Gedichte von Yeats ein. Das scheint mir für alles ein bisschen zu viel für etwa 200 Seiten. Schade. Aber es wird mich nicht abhalten, bei Gelegenheit seinen neuen Roman: ‘Sayonara, meine Bücher’ zu lesen.

25.03.2011