Christoph Poschenrieder: Die Welt ist im Kopf

Ein vergnüglicher Roman über einen Menschen, den man mit Vergnügen kaum in Verbindung bringt: Artur Schopenhauer. Selbiger begibt sich nach Fertigstellung seines Werks „Die Welt als Wille und Vorstellung“ und einem heftigen Krach mit seinem Verleger Brockhaus auf eine Reise nach Venedig. Im seiner Brusttasche ein Empfehlungsschreiben von Goethe und mit der vagen Absicht, Lord Byron in Venedig zu besuchen wird er der Metternichschen Spitzelpolizei auffällig, als er einem Kutscher die Peitsche entwindet und dafür sorgt, dass ein verletztes Pferd sich retten kann. Das macht ihn hoch verdächtig. Es ist dem Autor offenbar eine Lust, die Absurdität dieses Spitzelapparats der Ironie anheim zu geben. Und so begegnet uns Schopenhauer auch menschlich, allzumenschlich. Aus einer ironischen Distanz wird er mit den Folgen des Zusammenpralls seiner Philosophie mit der Wirklichkeit bekannt gemacht. Und die Wirklichkeit hat es in sich: der Streit mit dem Verleger geht weiter, ohne sein Buch in Händen zu halten, steht sein Ego auf wackeligen Beinen und so vermeidet er ein Zusammentreffen mit Byron. Stattdessen rettet er dessen Gondoliere und wird damit belohnt, dass er sich blutige Hände beim Unterricht im Gondelfahren bekommt, aber bald mit der Gondel Murano besucht, wo er Teresa bei ihrer Arbeit in einer Glasbläserei trifft, die seinen philosophisch geforderten Gleichmut der Welt gegenüber auf eine harte Probe stellt.

Das ist nur ein einziger Gedanke, sagte er.
Dafür ist es ein dickes Buch geworden.
Ich sage: Die Welt ist im Kopf
Teresa blickte unwillkürlich aus dem Fenster. Dann fühlte sie nach ihrem eigenen Kopf, fuhr durch ihr Haar und sagte mit einem triumphierenden Lächeln:
Der Kopf ist in der Welt.
Das Buch sagt, warum der Kopf, der in der Welt ist, behaupten kann, dass die Welt im Kopf ist.
Und warum?
Weil der Kopf auf dem Leib sitzt.
Warte, warte, ich habe Köpfe ohne Körper gesehen – in den Kirchen, Engelsköpfe über kleinen, weißen Flügeln.
Erst die Anschauung, dann der Begriff, das ist gut so, sagte Schopenhauer. Du gibst besser Kontra als ein Hegelianer.
'‚eghel was?
Eghel egal!, rief er.

Hegel mag egal sein, nicht aber die drohenden Probleme, denn das Geldhaus, bei dem das bescheidene Vermögen der Familie Schopenhauer angelegt ist, hat Konkurs angemeldet und die österreichische Polizei versucht heftig, wenn auch vergeblich, seiner Person habhaft zu werden. So begibt sich Schopenhauer wieder auf die Heimreise.
Ein wirkliches Lesevergnügen, das mich auf weitere Romane des Verfassers neugierig gemacht hat. Ist es nun gut oder schlecht, dass diese Neugierde sich durch einen Kopfdruck zur E-Book Bestellung befriedigen lässt?

19.07.2014