Colum McCann: Transatlantik


Diesen Autor schätze ich, seit ich mit großer Spannung den wunderbaren Roman „Die große Welt“ gelesen habe. Er nimmt reale Geschehnisse als Ausgangspunkt seiner Erzählungen. War es in der ‚großen Welt‘ der Tanz des Hochseilartisten Petit zwischen den Twin Towers (Filmtipp dazu: Man on wire – hervorragend!), so sind es in diesem Roman gleich drei Männer, die in verschiedenen Epochen mit ihren Leben eine Verbindung zwischen der Alten und der Neuen Welt schufen. So geht es im ersten Kapitel des ersten Buches (1919) um die erste Atlantiküberquerung mit einem Flugzeug, im zweiten (1845-1846) um Mr Douglass, einen äußerlich freigelassenen amerikanischen Sklaven, der in Irland Vorträge über die Abschaffung der Sklaverei hält und sich seine innere Freiheit immer wieder neu erkämpfen muss. Das dritte Kapitel (1998) reicht unmittelbar in die Gegenwart. Ein amerikanischer Senator vermittelt im Konflikt in Irland. Gespiegelt werden diese Erzählungen im zweiten Buch durch die Geschichten von Frauen, die untereinander und mit diesen Männern in Zusammenhang standen. Und in einem dritten Buch aus der Gegenwart des Erzählers wird von einem Brief berichtet, der all diese Geschehnisse ungeöffnet überdauert hat.
Das alles ist fein konstruiert und zeigt, wie sich Geschichte immer auf den Schultern der Vorangegangenen entwickelt. Aber diesmal konnte dieser Konstruktion wenig abgewinnen. Das Buch hat mich seltsam kalt gelassen, ohne dass genau sagen könnte, was die Lektüre so nebensächlich erscheinen ließ. Vielleicht ist es gerade die Konstruktion auf die Lehre hin, die Personen und Geschehnisse mir so seltsam gleichgültig blieben. Aber vielleicht war ich mit dem Kopf auch gerade anderswo.

9. Juni 2014