Jeffrey Eugenides: Die Liebeshandlung

Grandiose Geschwätzigkeit

Wenn auf der Seite 404 der Satz steht, dass der Protagonist „die lange, verwickelte Schleife seines Geschwafels entrollte”, so wird es Zeit, den Roman zuzuklappen.

Der amerikanische Titel „The Marriage Plot” kommt dem näher, worauf der Autor zumindest zu Beginn seines Werks zielt: eine Auseinandersetzung mit der Literaturwissenschaft, die sich den Liebesroman theoretisch vornimmt, in dem die Figuren im Hafen der Ehe landen.

Dazu erzählt er eine College-Geschichte aus den 80er Jahren. Madelaine widmet sich einem Literaturstudium und folgt erstaunt und mit nicht allzu viel Tiefgang den Lehrmoden der Zeit. Sie probiert den Blickwinkel von women’s lib ebenso wie den der Dekonstruktivisten wie die neuesten Schuhmodelle an und nimmt sich heraus, was gerade zu ihrer Lebenssituation passt. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Denkmodellen ist ihre Sache nicht, wichtiger sind ihr die Personen, genauer die Männer in ihrem Umfeld. Aber die Geschichte, die erzählt wird, ist eher peripher. Das WIE des Erzählens steht im Vordergrund und da macht Eugenides mit überbordendem Fabulieren den Theoretikern lustvoll den Garaus.

Die Sprache der Liebe [von Roland Barthes] war das ideale Heilmittel für Liebeskranke. Ein Reparaturhandbuch fürs Herz, mit nur einem Werkzeug, dem Gehirn. Wenn man seinen Kopf gebrauchte, wenn man sich bewusstmachte, wie Liebe kulturell konstruiert war, und wenn man begann, die eigenen Symptome als rein mentale zu begreifen, wenn man anerkannte, das „Verliebtsein” bloß eine Idee war, dann konnte man sich von dessen Tyrannei befreien. Madelaine wusste das alles. Das Problem war nur, es funktionierte nicht. Sie konnte den ganzen Tag lang Barthes’ Dekonstruktion der Liebe lesen, ohne dass ihre Liebe zu Leonhard auch nur das kleinste bisschen abnahm.

Und so schreibt Eugenides gegen das literaturwissenschaftliche Gehirn, das sich seiner theoretisch bemächtigen will. Aber leider sind seine Figuren so geraten, dass ich keine große Lust habe, ihnen in ihre Welten der Hefegenetik oder der Wirkung von Psychopharmaka, auf den Billig-Trip nach Indien, in den allfälligen Zickenkrieg oder den religiösen Überlegungen der Protagonisten in der dargebotenen Breite zu folgen, zumal sich der Stapel ungelesener Bücher weiter erhöht hat.

26.12.2011