Arno Geiger: Der alte König in seinem Exil

Krankheit und Sprache

Dies ist ausdrücklich kein Roman, sondern der literarische Bericht über die Alzheimer-Erkrankung des Vaters. Besonders ist dabei, dass die Erscheinungsformen der Krankheit mit den Ohren des Poeten wahrgenommen werden. So sammelt der Autor Sätze des Vaters, die von melancholischer Schönheit sind und sich wie aus einem Weisheitsbüchlein anhören.

Früher hatte ich auch Katzen, nicht gerade für mich allein, aber als Teilhaber. Es geschehen keine Wunder, aber Zeichen. Das Leben ist ohne Probleme auch nicht leichter.

In Rückblicken wird das Leben des alten Königs erzählt, der nach seiner Gefangenschaft und Flucht nie wieder seine Heimat verlassen wollte. Und die Tragödie seiner Erkrankung liegt für ihn vor allem darin, dass er sich in seinem Haus nach seinem Haus, seiner Heimat sehnt. So lange es geht, wird er von seinem Kindern und wechselnden Pflegerinnen zu Hause betreut, und als dies nicht mehr möglich ist, kommt er in ein Pflegeheim in seinem Dorf.

Der schreibende Sohn entwickelt wieder eine Nähe zu seinem Vater, wie er sie zuletzt vor seiner Pubertät hatte und er lernt, den Lebensweg des Vaters zu achten. Und beginnt er ihn zu lieben, weil der Vater ihm Schreibanlässe gibt? Weil die Sprachperlen des Vaters ihn verblüffen und beeindrucken, so dass er einen Grund hat, diese festzuhalten?

Ein solches Buch ist eine Notwendigkeit, weil es zeigt, dass das Leben bis zum Ende individuell und achtenswürdig ist. Aber es ist auch das Buch eines schreibenden Sohnes, der nur festgelegte Wahrnehmungen weitergibt und das, was die Krankheit auch ausmacht, verschweigt.

29.11.2011