Sibylle Lewitscharoff: Consummatus

Und weil es so schön war, gleich noch ein Titel dieser Lesesucht erregenden Autorin. Nach dem handlungsstarken Panorama gibt es hier eine höchst reduzierte äußere Handlung. Ein Mann sitzt an einem Samstagmorgen in einem Café und frühstückt. Dazu bestellt er sich noch einige Schnäpse. Dafür ist in seinem Kopf allerhand los. Oder besser unter der Decke des Cafés, denn dort tummeln sich die Toten, nicht nur seine, sondern auch die der anderen Gäste. Darunter auch seine Geliebte. Jim Morrison und Andy Warhol sind an ihrer Seite. Und die haben einiges zu sagen. Dass der geneigte Leser auch immer unterscheiden kann, wer mit hörbarer und wer mit unhörbarer Stimme spricht, sind die Äußerungen der Toten in einem hellen Grau gedruckt. Es entfaltet sich die Geschichte einer Amour fou, die die Hauptfigur für einige Jahre aus seinem Lehrerdasein herauszog und die mit dem Tod der Geliebten endete. Joey, so ihr Name, war einmal eine Sängerin in Dunstkreis von Warhols factory, nun rennt sie ihrem Leben und ihrem Ruhm hinterher.

Joeys Verrücktheit schleppte an schweren Verzugslasten und war von dem Land erzeugt worden, in dem wir beide aufgewachsen waren, sie verursachte in mir heftige Landesschmerzen.

Es sind diese Formulierungen, die so leichtfüßig daherkommen und der Sprache der Autorin einen unverwechselbaren Klang geben und ein Lesevergnügen der besonderen Art bescheren.
Aber diesmal konnte ich dem inhaltlichen Anliegen der Autorin so gar nicht folgen. Sie unterstellt ihrem Protagonisten ein Nahtod-Erlebnis – sehr vergnüglich beschrieben - und fordert damit Glaubwürdigkeit ein. Ihre Jenseitsvorstellungen vom Weiterleben nach dem Tod entfalten sich auf der Folie christlicher Vorstellungen. Gott und Jesus kommen nicht zu kurz. Dem mag ich nicht folgen. Auch wenn ich nur zu gut weiß, dass die Lebenden sich zu trösten versuchen mit der Vorstellung, da ginge noch was, sind meine Vorstellungen andere. So sehr ich die Autorin schätze und sicher auch nach einem weiteren Buch von dieser Sprachartistin greifen werde, hoffe ich doch, dass sie auch der Welt der Lebenden einiges abgewinnen kann, auch ohne den Kampf um ein Auskommen mit den Toten, mit denen ihre Protagonisten im Leben nicht gut umgehen können.

22.01.2014