Abe Opincar: Am Abend, als ich meine Frau verließ, briet ich ein Huhn

Bildungslückengalopp

Sie begann durchaus vergnüglich, die Lektüre. Es scheint auch das anzufangen, was auf dem Umschlag versprochen wird: ein Roman. Denn erzählt wird, dass sich der Ich-Erzähler nach dem Satz seiner Angetrauten: „Er hat auf meiner Hochzeitsreise meine Zeit vollständig in Beschlag genommen“ die Sitzung beim Eheberater verlässt, ein Huhn brät und später am Sabbatabend dessen Reste einpackt und mit wenig anderem Gepäck sein Haus, seine Frau und seinen Hund verlässt. Und schon hat der geneigte Leser den heftigen Verdacht, dass hier kein Roman, sondern eine diskontinuierliche Autobiografie erzählt wird. Diese ist so bunt, wie es die kurze biografische Notiz auf dem Vorsatzblatt vermuten lässt:

Abe Opincar, Sohn rumänisch-jüdischer Eltern, wuchs an der kalifornisch-mexikanischen Grenze auf; er ging in Frankreich und Japan zur Schule. Mit neunzehn bekam er ein Stipendium für eine Talmudschule in Jerusalem.

So erzählt der Autor von den ersten kulinarischen Unterweisungen in Frankreich:

Während der Mahlzeiten gutes Französisch zu sprechen und zugleich an die bürgerlichen Tischsitten zu denken war ungefähr so einfach wie gleichzeitig Geige und Tuba zu spielen. Die Rampillons übten sich in Geduld, aber sie hatten es mit jemandem zu tun, der nicht wusste, dass man, Brot ausgenommen, nichts, was eine Kruste hat, mit dem Messer schneiden darf.

Es gibt auch einiges zu erfahren über die Begeisterung Opincars für den Garten, die er als Single entdeckt. Dabei klingen seine (Er-)Kenntnisse über Basilikum oder Knoblauch und deren weitreichende Vergangenheit in den verschiedenen Kulturen aber ziemlich frisch angelesen.

Ärgerlich wird die Sache jedoch, wenn in der deutschen Übersetzung von Tumerik gesprochen wird. Das ist schlichter Gelbwurz und der macht den Curry gelb. Da hätte der Übersetzer mal zum Wörterbruch greifen können oder spätestens ein Lektor hätte stolpern müssen, aber ein solcher war auch dann nicht zugegen, wenn Rucola mit weiblichem Artikel auftaucht oder Buttersalat gegessen wird.

Seltsam, es werden viele Begebenheiten erzählt von Menschen, zeitgeschichtlichen Ereignissen und kulinarischen Offenbarungen, aber im Gedächtnis ist mir kaum noch eine nach der Lektüre geblieben. Da mag auch daran liegen, dass hier der gestaltende Zugriff, der aus den unverbundenen Episoden Geschichten macht, fehlt.

Aber das einzige Rezept werde ich sicherlich irgendwann einmal ausprobieren: Schwarzer Rettich mit Sauerrahm.

20.11.2011