Philipp Meyer: Der erste Sohn


Der Name des Verfassers klingt zwar deutsch, aber er schreibt eine uramerikanische Geschichte. Der erste Sohn ist Eli McCullough, geboren im Jahr 1836, als Texas unabhängig wurde von Mexiko. Seine Geschichte wird erzählt und sie reicht bis zum Tod von Jeanne Anne McCullough im Jahr 2012, seiner Urenkelin. In dieser Zeitspanne entwickelt sich eine Nation von der Gesetzlosigkeit in den südlichen Grenzgebieten hin zum Gesetz des Kapitals, von den grünen Weiden für Bisons und Pferde zum trockenen Land der Ölförderung. Aber es ist eine Geschichte von Menschen, die sich zurechtfinden müssen in einer Welt voller Rache und Ausrottung, aber auch voller Regeln, die je nach ethnischer Gruppe sehr unterschiedlich sein können. Und so sind es nicht ‚die‘ Indianer, von denen die Rede ist, sondern eswird sehr klar differenziert nach Stammesangehörigkeit. Eli wird als Junge von Indianern geraubt und lebt einige Jahre bei ihnen.

Derweil wurden jede Menge Schusswaffen, Ponys und andere Vorräte herangeschafft, das Dorf bereitete ein Fest vor. Von den über siebzig erbeuteten Pferden gab Toshaway die meisten den am Raubzug beteiligten Männern, eins der Familie des Toten, und ein paar an einige arme Familien, die sich direkt an ihn gewandt hatten. Man durfte ein Geschenk nicht verweigern, wenn jemand darum bat. Ihm blieben zwei neue Pferde und ich. Geizigere Kriegsführer hätte die gesamte Beute vielleicht für sich behalten, doch Toshaways Ansehen war durch seine Großzügigkeit enorm gewachsen.

Aber es gibt nicht nur die eine Stimme in diesem Roman. Eine andere ist die der sterbenden Jeanne Anne, an der ihr Leben noch einmal vorbeizieht, von den Jahren mit dem Großvater bis zu ihrem Reichtum, den das Öl ihr verschafft hat.

Die dritte Stimme ist die von Peter McCullough, Jahrgang 1860. Er trägt die Stimme des Übergangs, der Normen und der Schuld, auch wenn sie nicht seine eigene ist. Er wird Zeuge der Vertreibung der Mexikaner und auch von brutalen Morden.

Diese drei Stimmen tragen den Roman. Sie sind dazu angetan, das Bild der amerikanischen Geschichte neu zu entdecken und den Samtmantel anzuheben, unter dem die offizielle Lesart es verbirgt. Und auch wenn man sich in der Fülle des Personals und der zeitlichen Ebenen gelegentlich verirren kann, so war die Lektüre jederzeit spannend und erhellend.

19.08.2014