„Von der Brüchigkeit der Selbstbilder“
könnte der Untertitel zu diesem wunderbar bösen Roman lauten. Sie
haben Karriere gemacht, der Chefredakteur und der Komponist, die irgendwann
einmal in früherer Zeit die Welt verbessern wollten. Nun sind sie beseelt
von der eigenen unvergleichlichen Großartigkeit. So fühlt sich
der Redakteur völlig im Recht, als er beabsichtigt, kompromittierende
Fotos des Außenministers in die Zeitung zu bringen. Er sieht sich als
Retter Englands und ist entsetzt, als der Komponist ihm vorhält, dass
diese Bilder in einer geschützten intimen Situation entstanden sind und
er deshalb kein Recht habe, dieses Vertrauen zu brechen. Erscheint der Komponist
hier noch als Inkarnation des Humanen, begleiten wir ihn kurz später
auf eine Bergwanderung, bei der er der Ahnung einer kompositorischen Idee
lieber nachgeht, als einem Menschen in Not zu helfen. Selbstzweifel an seinem
Handeln drängt er leicht zur Seite, denn schließlich steht das
künstlerische Genie weit über den Dingen des Alltags. Leider entspricht
die Wirklichkeit nicht den Vorstellungen der Protagonisten. Die Bilder kommen
zwar in die Zeitung, aber der Chefredakteur verliert seine Zeitung. Zwar kommt
es zu Proben des Konzerts in Amsterdam, aber die Musiker sind etwas befremdet,
eine leicht abgewandelte Version der ‚Ode an die Freude‘ von Beethoven
auf ihren Notenblättern zu finden. Und so kommt es in einem Amsterdamer
Hotel zum Showdown, der hier nicht verraten wird.
Eine boshaft vergnügliche Lektüre, denn der Autor hat obigen Untertitel
natürlich nicht verwendet, sondern schickt den Leser auf die Reise, allmählich
die Brüchigkeit der Charaktere zu entdecken, über deren Selbstbild
zu lächeln und die leise Frage nicht unbeantwortet zu lassen, wie es
denn mit dem eigenen Selbstbild so aussieht.
24. Februar 2014